Sarah Gyulay Portrait
Schule am Hafen
Sarah Gyulay ist stellvertretende Schulleitung der »Schule am Hafen«, der größten Hauptschule in NRW. Vom 6. bis 9. Februar 2023 haben 20 Künstlerinnen von Gen Verde zusammen mit 180 Jugendlichen der Schule am Hafen ein Konzert geprobt und am 8. Februar 2023 vor über 400 Zuschauern auf der Bühne im Dietrich-Keuning-Haus präsentiert.

beneVolens: Liebe Frau Gyulay, im Sommer 2022 kam die Kommende-Stiftung beneVolens auf Sie zu, um Ihnen das Projekt »Start now« vorzustellen. Was waren Ihre Erwartungen im Vorfeld an das Projekt?

Sarah Gyulay: Ich habe mich für unsere Schülerinnen und Schüler gefreut, dass sie endlich auch mal etwas Schönes erleben dürfen. Durch die Corona-Pandemie haben sie weder Klassenfahrten noch Tagesausflüge erlebt. Ich habe erwartet, dass ein so großes interkulturelles Musik- und Tanzprojekt alle Schülerinnen und Schüler anspricht – auch die, die vielleicht in den klassischen Schulfächern ihre Schwierigkeiten haben.

beneVolens: Was hat Sie am meisten überrascht, als die Jahrgänge 9 und 10 Ihrer Schule im Februar 2023 das
Projekt »Start now« mit den Künstlerinnen von GenVerde durchgeführt haben?

Sarah Gyulay: Die Offenheit, das Engagement und der Einsatz aller am Projekt Beteiligten hat mich beeindruckt. Die gemischten, nach Interessen gebildeten Arbeitsgruppen haben jahrgangsübergreifend super funktioniert und es wurden auch Übersetzungstätigkeiten von den Jugendlichen übernommen. Die Künstlerinnen sprachen ausschließlich Englisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch. Das war einfach genial!

beneVolens: Nach einem Jahr Abstand – was hat die Projektwoche bei Ihren Schülerinnen und Schülern bewegt? War es nur ein kurzfristiger Effekt oder profitieren Sie noch heute von den Erfahrungen?

Sarah Gyulay: Die Personen, die an dem Projekt beteiligt waren, sind nach wie vor begeistert. Während der Projektwoche kam es zu dem schrecklichen Erdbeben in der Türkei. Den Morgen begannen wir mit einer gemeinsamen Schweigeminute, die den ein oder anderen zu Tränen gerührt hat. Der gemeinsame Wunsch nach einem grenzenlosen, friedvollen Zusammenleben wurde spürbar deutlich. Obwohl das »Start now« Projekt »nur« vier Tage dauerte, hat es unheimlich viel auch nachhaltig in der Schule in Bewegung gesetzt. Vor allen Dingen ein Gefühl von Zusammenhalt und viel gegenseitiges Verständnis hat diese gemeinsame »Ausnahmesituation« produziert. Dies kann man bis heute auch im Kollegium spüren.

beneVolens: Warum war das Projekt gerade für Ihre Schülerschaft so wichtig? Haben Sie hierfür ein konkretes Beispiel von einem Schüler oder einer Schülerin?

Sarah Gyulay: Unsere Schülerschaft besteht aus mehr als 30 Nationen, viele Kids haben eine direkte Fluchtgeschichte, eine große Mehrheit lebt in Haushalten, die Bürgergeld beziehen, gerade in den Jahrgängen 9 und 10 finden sich viele sogenannte Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger (dies bedeutet, sie mussten ihre »alten« Schulen aufgrund von Mangelleistungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten verlassen). Die wenigsten Schülerinnen und Schüler haben außerhalb der Schule Kontakt zu kulturellen Bildungsangeboten, sodass ein Projekt wie »Start now« mehr als Gold wert ist für eine Schule wie unsere. Als ein eindrucksvolles Beispiel für die Bedeutsamkeit des Projekts kann ich eine Schülerin nennen, die am Tag nach der großen Aufführung trotz Bahnstreik pünktlich zur Abschlussveranstaltung gekommen ist. Sie ist die knapp 7 km einfach gelaufen. Mehr muss ich dazu glaube ich nicht sagen.

Impressionen der Jugendlichen zum »Start now«-Projekt

»Es war die beste Woche meines Lebens.«

»Ich habe gelernt, nicht aufzugeben. Und das Beste daran ist, dass wir zusammengehalten haben.«

»Vertrauen zu bekommen und Vertrauen spüren.«

»Wir haben gelernt, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen müssen, um uns zu verstehen, dass wir zusammenarbeiten können. Am Anfang war es schwierig, denn wir hatten nicht den Mut auf die Bühne zu gehen. Es war eine Überwindung. Der schönste Moment war, als wir zusammen den Applaus bekommen haben.«

»Für mich war es neu, die Hoffnung nicht zu verlieren. Sich seiner selbst bewusst zu sein, Vertrauen zu haben, keine Angst zu haben, Fehler zu machen und sich selbst zu korrigieren.«

»Zunächst einmal ein großes Dankeschön an GenVerde. Dass sie so etwas für unsere Schule gemacht haben. Und dass wir das Geschenk erhalten haben, diese Erfahrung machen zu können. Und dass wir als Gruppe etwas erreicht haben, von dem niemand wusste, dass wir es können. Ich denke auch, dass wir als Schule einen Schritt nach vorne gemacht haben. Wir hätten nicht gedacht, dass wir das so erreichen können. Dass wir das alles gemeinsam als Team, als Schule geschafft haben, ist wirklich sehr schön.«